Der Begriff Content Marketing ist auch im deutschsprachigen Raum längst zu einem Modewort geworden, das nach meiner Wahrnehmung aber leider oft für „flache“, suchmaschinenoptimierte Fülltexte mit Clickbaits als Titel verwendet wird. Für mich war der Ansatz, der hinter dem Begriff steckt, stets positiv belegt. In diesem Artikel will ich daher mein persönliches Verständnis von Content Marketing als Disziplin zusammenfassen.

Als ich 2010 das Buch „The New Rules of Markting and PR“ von David Meerman Scott las (der wiederum stark von Seth Godins Texten über Permission Marketing inspiriert war), war das für mich wie eine Erleuchtung. Es las sich wie ein Manifest für das, was ich gerade in einem Praktikum in meinem Auslandssemester in Washington D.C. erlebt hatte: Modernes Marketing, das Publikationen auf selbst betreuten digitalen Kanälen nutzt. Hatte ich bisher mein Heil in der PR gefunden, die für mich ein fundierteres Kommunikationsmittel war als „Breitbandwerbung“, so stand diese Methode nun endgültig für eine Abkehr von der klassischen Werbung, die auf Unterbrechung und Spam basiert, hin zu einer deutlich kundenfreundlicheren Methode.

Das Grundprinzip fasste ich so auf: Werben durch hilfreiche Informationen, die man nicht als störend empfindet, sondern dafür sogar dankbar ist. „Du interessierst dich für X? Dann haben wir hier etwas, das dir gefallen könnte.“ „Du hast das Problem Y? Hier ist eine Lösung, die dir dabei weiterhelfen kann“. Ausserdem verbanden sich erstmals Werbung und PR zu einem ganzheitlichen Kontept, basierend auf den neuen Möglichkeiten digitaler Medien im World Wide Web.

Der Grundgedanke: Verkaufen, indem man informiert und berät

Content Marketing beschreibt für mich eine Art der Verkaufsanbahnung, die es schon immer gab und immer geben wird: Ein Verkäufer/Anbieter nutzt seine Fachkompetenz, um einen Kunden gut zu beraten und baut so ein persönliches Vertrauensverhältnis auf – er wird zu einem „Händler/Anbieter des Vertrauens“. Dafür muss der Anbieter herausfinden, was für Probleme die Menschen aus seiner Zielgruppe haben, was diesen Menschen gefällt und was sie ablehnen. Dann kann er ihnen maßgeschneiderte Angebote unterbreiten und für sie alle Informationen aufbereiten, die sie für eine informierte Kaufentscheidung wünschen. Während der Verkäufer der alten Schule 1-zu-1-Beziehungen aufbaute, ermöglichte Content Marketing nun immerhin, zusammenhängende Zielgruppen „auf einen Schlag“ zu beraten.

Was der Kunde nicht will: Unterbrechung, aufgeblähte Marketing-Texte, Breitband-Werbung und Keyword-Spam

Spätestens seit der Etablierung des Privatfernsehens in unserer Massenkultur werden wir durch die Explosion von Breitband-Werbung und die konsequente Durchkommerzialsierung des Alltags überflutet mit „leeren“ Informationen und irreführenden Reizen. Das Web hat diese Entwicklung noch einmal katalysiert: Hier ist alle Information kostenlos. Aber wer für etwas nichts bezahlt, darf auch nicht viel Qualität erwarten – denn wer soll schon ohne Bezahlung viel Zeit und Arbeit investieren, um gute Inhalte zu erstellen?

So findet man auf seine Suchanfragen im Web zwar Ergebnisse, die interessant klingen, sich dann aber als leere Worthülsen erweisen, gespickt mit Keywords für die Suchmaschinen. Die Clickbaits mit interessanten Überschriften und Teaser-Texten mit vollmundigen Ankündigungen („Alles was Sie über XY wissen müssen…“) halten nicht, was sie versprechen, und spätestens nach fünf Minuten lesen bemerkt man, dass man wieder seine Zeit für einen Zombie-Text ohne echte Substanz verschwendet hat. Gleichzeitig buhlen im Zeichen der Aufmerksamkeitsökonomie viele Anbieter um die begrenzte Zeit und Wahrnehmungsfähigkeit des Users/Konsumenten: Soziale Netzwerke mit ihren süchtig machenden Newsfeeds, irrelevante Youtube-Werbeanzeigen, blinkende Banner auf Websites…

Sie alle wollen den Nutzer von seinem eigentlichen Ziel ablenken – zum einseitigen Nutzen der Werbetreibenden. Der User muss sich vor dieser Reizüberflutung schützen. Er darf nicht die Kontrolle über seine begrenzte Zeit und Aufmerksamkeit verlieren. Deshalb steht er allen Informationen, die ungefragt an ihn herantreten, skeptisch gegenüber, geht regelrecht in Abwehrstellung.

Was der Nutzer will: Glaubwürdige Informationen, die er im Moment gerade für seine Kaufentscheidung braucht

Bei all der Abwehrhaltung gibt es jedoch auch Informationen, die den Internet–Nutzer aus eigenem Antrieb interessieren, für die er sich sogar selbst aktiv auf die Suche macht: Er will Informationen, die für sein Suchinteresse relevant sind, die ihm etwas nützen und einen ehrlichen Mehrwert bieten. Dafür sucht er im Web nach vertrauenswürdigen Quellen, die folgende Kriterien erfüllen:

  • persönliche Relevanz: Die Quelle befasst sich mit genau dem Thema und den Aspekten, über die der Nutzer etwas erfahren möchte. Überschriften, Vorspann, Ankündigungstexte, Bilder etc. geben ihm einen Hinweis darauf.
  • Expertise der Autoren: Die Infos sollen von einem Autor kommen, der sich wirklich auskennt und seriös mit dem Thema befasst – und nicht von einem windigen Werbetexter, oder einem Schwätzer der sich selbst darstellen möchte.
  • Glaubwürdigkeit/Vertrauenswürdigkeit der veröffentlichenden Institution: Wer etwas in einer großen Tageszeitung liest, oder in einem Beitrag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht, stuft den Inhalt als vertrauenswürdig ein. Je etablierter eine Informationsquelle ist, desto mehr kann man davon ausgehen, dass es hier gute, hilfreiche Inhalte gibt. Hinweise sind, dass die Quelle von vielen anderen Nutzern als positiv bewertet wird, die sie schon genutzt haben, dass anerkannte Autoritäten sie anerkennen, dass sie unter dem Dach einer etablierten Marke veröffentlicht wird, die einen guten Ruf hat und mit Qualitätssiegeln ausgezeichnet wurde…
  • Benutzerfreundlichkeit der Aufbereitung: Wenn ein Inhalt so aufbereitet wurde, dass ich leicht hindurchfinde, die Elemente übersichtlich angeordnet sind, ich mich von einer durchdachten Benutzerführung durch das Web-Angebot begleitet fühle… dann habe ich den Eindruck, dass sich hier jemand Gedanken darüber gemacht hat, dass er meine Zeit nicht sinnlos verschwendet, und fasse zu dem Anbieter vertrauen.

Solche guten Quellen schätzt der User außerordentlich und sucht aktiv danach. Der User…

  • abonniert Infokanäle wie Newsletter, Newsfeeds, folgt Youtube-Kanälen und liest Nischen-Magazine zu Themen, die für ihn relevant sind
  • googelt nach Informationen zu einem Problem oder Interessengebiet, das ihn gerade beschäftigt
  • liest Empfehlungen, die ihm Freunde und vertrauenswürdige Experten gesendet haben, und empfiehlt brauchbare Quellen selbst in seinem Bekanntenkreis weiter
  • beteiligt sich in Foren, schreibt Kommentare und Rezensionen, bewertet, beteiligt sich an Communities
  • kuratiert brauchbare Quellen, setzt Lesezeichen, legt öffentliche Sammlungen bei Social-Bookmarking-Diensten an, markiert etwas auf einer interaktiven Karte

Die Antwort im Marketing: der Anbieter als kompetenter Berater des Vertrauens

Hier ergibt sich eine Chance für Unternehmen jeder Größe und Ausrichtung: Sie können selber solche guten Inhalte erstellen über Themen aus ihrer Branche, die Kunden auf der Suche nach einer Lösung für ihre Probleme helfen. Der Vorteil: Da der Hersteller/Verkäufer sich professionell in seiner eigenen Branche bewegt, kennt er sich zwangsläufig aus und kann als Quelle eine hohe Autorität haben.

Seine Rolle als Verkäufer wird dabei eine andere: Er ist nicht mehr der sturmklingelnde Hausierer, der dem Kunden mit allen möglichen Tricks ein Produkt andrehen will. Stattdessen wird er ein Berater des Vertrauens, der dem User Lösungen für seine Probleme anbietet. Er ist vergleichbar mit dem guten, alten Fachhändler vor Ort, der…

  • seine Kunden kennt und weiß, was sie brauchen
  • ihnen schnell einen Überblick verschafft über das, was es gerade auf dem Markt gibt
  • sie auf aktuelle Angebote hinweist, bei denen sie Geld sparen können…
  • beim Verkaufsabschluss noch ein kleines Geschenk dazu legt, das genau zum Geschmack des Kunden passt

Wie man dabei vorgeht: Planen wie ein Marketer, denken wie ein Verleger

Es geht also darum, seinen Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und dafür zu sorgen, dass er sich gut aufgehoben fühlt. Ziel ist es, ihn ernst zu nehmen, ihm wirkliche Mehrwerte zu bieten und nicht nur zu versuchen, ihn plump und durchschaubar zu überrumpeln. Gleichzeitig darf man aber auch seine eigenen Geschäftsziele nicht aus den Augen verlieren. Die Inhalte müssen immer zum Vertrieb des Unternehmens hinleiten, das den Content produziert, oder direkt zu einer Online-Bestellmöglichkeit in einem Web-Shop.

Das Ziel: Marke, Absatz und Kundenbindung stärken

Übergeordnete Marketing-Ziele können dabei sein:

  • Branding: Im Web eine Marke aufzubauen, sich als Experte für etwas profilieren, der für hohe Qualität einen guten Preis verlangen kann
  • Reichweite: Aufmerksamkeit für sein Angebot zu bekommen und neue Kunden zu finden
  • Kundenbindung: Mit bestehenden Kunden in ständigem Kontakt bleiben. Ihnen immer wieder neue, ergänzende Angebote machen und damit weitere Produkte verkaufen. Ihnen dabei helfen, das eigene Unternehmen weiterzuempfehlen durch leicht teilbare Inhalte

Der Weg: interessanten, hilfreichen Content für Zielgruppen erstellen…

Um diese Ziele zu erreichen, kann man also seine eigene Expertise nutzen, um ein seriöser Berater und Anbieter von Lösungen für die Zielgruppen zu werden. Dafür muss man denken wie ein Verleger: Der überlegt sich, was seine Zielgruppe interessiert, was sie gern lesen würden und macht sich daran, dafür passende Medienformate zu produzieren und zu vertreiben. Während der klassische Verleger noch vom direkten Verkauf seiner Medienproduktionen lebte, dienen diese heute dazu, die oben genannten Marketing-Ziele zu erfüllen (Branding, Reichweite, Kundenbindung).

…und dort anbieten, wo die Leute nachsehen

Man erstellt also Inhalte, die die Leute gerne konsumieren, und sorgt dafür, dass sie sie dort finden, wo sie sich informieren:

  • In den Ergebnissen ihrer Suchmaschine
  • In den Newsfeeds ihrer sozialen Netzwerke
  • im Eingang ihres E-Mail-Postfachs
  • in den Konversationen in ihrer Messenger-App, empfohlen von einem Bekannten

Man kann unterschiedliche Medienformate nutzen und unterschiedliche Kanäle bedienen, um Leute zu erreichen. Im Gesamtmedium Internet verbinden sich alle Content-Formate zu einer Einheit: Text, Bild, Ton, Film, interaktive Anwendung… Die Inhalte können informativ und beratend sein, aber auch unterhaltsam, so wie ein virales Video. Anstatt Werbung, die den User bei dem unterbricht, was er gerade tun will, bekommt der dann Unterhaltung, die er sich wünscht, und Lösungen, die er gerade dringend sucht.